12. hofbauer-kongress: geheime lüste blutjunger mädchen (jürgen enz, deutschland 1978)

Veröffentlicht: Januar 8, 2014 in Film
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Zunächst hatte ich ein wenig die Befürchtung, dies könnte vielleicht der Enz-Film werden, bei dem sich der Zauber als verflogen herausstellt. GEHEIME LÜSTE BLUTJUNGER MÄDCHEN beginnt als überaus alberne Komödie, in die als Hauptfiguren der berlinernde, extrem kurzsichtige Butler Pepi (Peter Thom), das Schwyzerdeutsch sprechende Hausmädchen Mitzi (Angelina Brassini), ihr Arbeitgeber, Graf von Rammelburg (Anderl Bäuerl), und eine fünfköpfige Ahnengalerie involviert sind. Pepi hat es auf Mitz abgesehen, reibt sich aber stattdessen an einem Baum, weil ihm die Brille abhanden gekommen ist („Warum ist deine Haut so rau?“). Mitzi ist scharf auf den Grafen, der aber dem Sex gänzlich abgeschworen zu haben scheint. Die Ahnen kommentieren das Treiben auf sarkastische Weise von ihren Bildern herab und der Graf sammelt bei der Einkaufstour mit dem Fahrrad Verehrerinnen an jeder Straßenecke: die Postbotin, die Kioskbesitzerin und das Mädchen von der Bäckerei, das ihm immer die dicksten Semmeln einpackt. Doch seine Unlust stellt sich bald als perfider Trick heraus. Zu Hause schlüpft er in die Gewänder seiner Ahnen und verschiedene Rollen, um gleich mehrere Frauen beglücken zu können. Das führt auf dem Höhepunkt des Films zu der Mammutaufgabe, drei Frauen in jeweils unterschiedlicher Verkleidung und schnellem Wechsel zu beglücken: Da kann einem schon mal heiß werden.

GEHEIME LÜSTE BLUTJUNGER MÄDCHEN bildete den adäquaten Abschluss eines grandiosen Kongresses: Auf die Enz eigene Art peitschte er uns noch um 5 Uhr morgens zu größtmöglicher Hysterie. Neben dem herrlich depperten Dialekthumor sind es immer wieder die kleinen Requisitendetails im Bildhintergrund und bizarre Regieeinfälle, die einen aus der Bahn werfen. Von dem oben erwähnten Riesenbrötchen, das ein wenig wie ein Unfall aussieht, schneidet Enz geradewegs auf einen Hintern. Am Kiosk, vor dem die Kioskbesitzerin den Rammelburger anhimmelt, hängt eine Ausgabe der Welt am Sonntag, die von 8 Bomben in 6 deutschen Städten kündet und das absurde Sextheater sehr unsanft in der Realität verortet. Die Metzgerei preist ihren Kunden per Werbeschild gebackenen Schweinebauch und – wer hätte das gedacht – gebratene Bratwurst an. Und die Eingangshalle von Schloss Rammelburg zieren ein ausgestopfter Fasan und ein Schirmständer mit einer ganzen Legion von Regenschirmen. Man könnte annehmen, der Graf fürchte sich vor Regen, wenn man diese stattliche Sammlung sieht. Natürlich dürfen auch die lieblos an der Wand herunterhängenden Kabel sowie der obligatorische Lichtschalter nicht fehlen.

Am schönsten sind aber jene Momente, in denen der Film buchstäblich stehen bleibt und sich die Zeit nimmt, seine Figuren auf dem ereignislosen Weg vom Fahrrad zur Wohnungstür zu begleiten. Dann wirkt GEHEIME LÜSTE BLUTJUNGER MÄDCHEN plötzlich wie ein seltsamer Fiebertraum oder ein Fantasyfilm, verortet in einer Welt, in der die Dinge zwar nur geringfügig, aber doch unverkennbar anders sind als bei uns. Aber das ist er ja sowieso: Man kann sich die anderen Menschen, die diese Welt möglicherweise bevölkern, kaum vorstellen: Benehmen sie sich genauso erratisch wie Rammelburg und Pepi? Oder sind sie gar ganz normal? Was denken sie wohl über diese Hauptfiguren? Und was veranlasst die Frauen, sich so in den sehr drögen Grafen zu verlieben? Die Antworten bleibt Enz uns gewissermaßen schuldig, aber tatsächlich sind ihm die Fragen gar nicht in den Sinn gekommen. Enz zimmert einmal mehr eine Welt in der Nussschale (sodass noch nicht einmal die Zeitungsschlagzeile wirklich ins Gewicht fallen kann), in der sich der Enzianer sofort wohlfühlt. Es ist ein bisschen eng, die Einrichtung entspricht nicht ganz dem Standard und man muss auf den gewohnten Komfort verzichten, dafür ist es aber urgemütlich. Abgeschirmt von den neugierigen Blicken der Allesbesserwisser kann man sich hier mit Kirschlikör in Stimmung bringen und dann geiler Graf spielen. So wie wir das vier Tage lang in einem kleinen Nürnberger Kinosaal gemacht haben.

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